In Ungarn werden direktdemokratische Formen eher selten zur Entscheidungsfindung herangezogen, die Form der von der Orbán-Regierung gestalteten „nationalen Konsultation“ hingegen kam in den letzten Jahren des Öfteren zum Einsatz. Um allen Deutschsprachigen einen möglichst tiefen Einblick in diese Form der Kommunikation zu ermöglichen, haben wir die Fragen der diesjährigen „Konsultation über das Leben nach der Epidemie“, die von der Regierung am 1. Juli auf Facebook veröffentlicht wurden, möglichst nah am Originaltext (d.h. unter Beibehaltung evtl. merkwürdig erscheinender Begriffe bzw. mit im Deutschen unüblicher Wortwahl) übersetzt.

HÖREN WIR EINANDER ZU!

Konsultation zum Leben nach der Epidemie

1. Manche meinen, dass sich die Welt nach der Epidemie in vieler Hinsicht verändert und ein gefährlicheres Zeitalter begonnen habe. Ungarn müsse gestärkt werden, um die neuen Herausforderungen meistern zu können. Andere meinen, es werde alles wieder so sein, wie vor der Epidemie, dies sei daher nicht nötig. WAS DENKEN SIE?

Ein gefährlicheres Zeitalter hat begonnen, Ungarn muss gestärkt werden.Die Welt wird wieder wie vorher, das ist nicht nötig.

2. Manche meinen, dass die Stärkung Ungarns mit der Erhöhung des Mindestlohnes begonnen werden müsse. Der Mindestlohn müsse auf 200 000 Forint* erhöht werden, weil damit sichergestellt werden könne, dass nicht nur die Unternehmen, sondern auch die ungarischen Menschen vom Wirtschaftswachstum profitieren. Andere meinen, das sei nicht nötig. WAS DENKEN SIE?

Der Mindestlohn muss so schnell wie möglich erhöht werdenEs ist nicht nötig, den Mindestlohn jetzt zu erhöhen

3. Manche sagen, Ungarn könne dadurch gestärkt werden, dass Familienzulagen, niedrige Lohnsteuern und Renten verfassungsrechtlichen Schutz erhalten, damit keine Regierung sie den Menschen in Krisenzeiten wegnehmen kann. Andere meinen, dies sei nicht nötig, die Kosten von Krisen müssen von den Menschen getragen werden. WAS DENKEN SIE?

Es ist wichtig, dass Familienzulagen, Renten und niedrige Lohnsteuern Verfassungsschutz bekommenEs ist nicht nötig, diesen Massnahmen Verfassungsschutz zu gewähren

4. Manche sagen, für die Stärkung Ungarns wäre es wichtig danach zu streben, dass die auf Löhne erhobenen Steuern in Ungarn am niedrigsten seien. Andere meinen, das sei nicht nötig, man müsse zur Politik der Gyurcsány-Ära zurückkehren und die Lohnsteuern erhöhen. WAS DENKEN SIE?

Ungarn soll die niedrigsten Lohnsteuern in Europa habenWir müssen zur Politik der Gyurcsány-Ära zurückkehren, es ist eher nötig, die Steuern zu erhöhen

5. Manche schlagen vor, dass wenn es der Regierung gelingt, die Rate des Wirtschaftswachstums auf über 5,5 Prozent zu erhöhen, Eltern, die Kinder erziehen, ihre im Jahr 2021 bezahlten Steuern zurückbekommen sollen (bis zum Niveau des Durchschnittslohns), weil sie während der Epidemie die grösste Last getragen haben. Andere meinen, das sei nicht nötig. WAS DENKEN SIE?

Eltern, die Kinder erziehen, sollen ihre Steuern aus dem Jahr 2021 zurückerhalten (bis zur Höhe des Durchschnittslohns)Es ist nicht nötig, Eltern und Familien, die Kinder erziehen, zusätzlich zu unterstützen

6. Manche meinen, das Ratenzahlungsmoratorium für Kredite müsse über den September 2021 hinaus bis zum Juli des nächsten Jahres verlängert werden, damit die Familien und Unternehmen, die dies nötig haben, auch weiterhin von der Kreditrückzahlung befreit sind. Die Banken meinen, dies sei nicht nötig, das Kreditmoratorium müsse aufgehoben werden und alle müssen ihre Kredite tilgen. WAS DENKEN SIE?

Das Kreditmoratorium muss für die, die es nötig haben, verlängert werdenDie Banken haben Recht, das Kreditmoratorium muss aufgehoben werden

7. Brüssel wird nach der Epidemie erneut seine Macht missbrauchen und Verfahren gegen unsere Heimat einleiten, um den Ungarn** seinen Willen aufzuzwingen. Manche denken, Ungarn muss sich auf Konflikte einlassen und für seine Interessen eintreten. Andere meinen, Ungarn müsse Brüssel nachgeben. WAS DENKEN SIE?

Ungarn muss in allen Auseinandersetzungen für seine Interessen eintretenWir müssen Brüssel gegenüber nachgeben

8. Brüssel will uns neue Steuern aufzwingen, damit die Kosten der durch multinationale Unternehmen verursachten Umweltschäden und des Klimawandels über höhere Preise für Strom, Gas und Wasser von den ungarischen Familien bezahlt werden müssen. WAS DENKEN SIE?

Den Preis ihrer umweltschädlichen Tätigkeiten sollen die multinationalen Unternehmen zahlenDen Preis für Umweltverschmutzungen müssen auch die Familien zahlen

9. Von George Soros finanzierte Organisationen haben wegen des Kinderschutzgesetzes einen breit angelegten internationalen Angriff gegen Ungarn gestartet. Dieses Gesetz verbietet an Kinder gerichtete Propaganda mit sexuellem Inhalt in Kindergärten, Schulen und in Kindern zugänglichen Medien. WAS DENKEN SIE?

Es ist richtig, dass das Gesetz an Kinder gerichtete sexuelle Propaganda einschränktAn Kinder gerichtete sexuelle Propaganda birgt kein Risiko, daher ist ein Verbot überflüssig

10. George Soros wird Ungarn nach der Epidemie erneut angreifen, weil die Ungarn die illegale Migration ablehnen. Manche meinen, man müsse dem Druck der Soros-Organisationen widerstehen, andere meinen, Ungarn müsse im Migrationsstreit nachgeben. WAS DENKEN SIE?

Ungarn muss Widerstand gegen den Druck der Soros-Organisationen leistenIm Migrationsstreit müssen wir nachgeben

11. Viele meinen, im Zeitalter der Epidemien stelle es eine riesige Bedrohung dar, wenn jeder frei nach Ungarn einreisen kann. Man müsse die Möglichkeit beibehalten, bei neuen Epidemiewellen epidemologische Einschränkungen vorzuschreiben, und aus von durch Epidemien getroffenen Ländern dürfe man nur mit einem medizinischen Visum einreisen. Andere meine, die Epidemie sie zu Ende, und man müsse die freie Einreise aus allen Ländern uneingeschränkt erlauben. WAS DENKEN SIE?

Es ist nötig, ein medizinisches Visum zu verlangen, wenn jemand aus einem von einer Epidemie betroffenen Land nach Ungarn einreisen will.Die Epidemie ist vorbei, und die freie Einreise aus allen Ländern muss uneingeschränkt gewährleistet werden

12. Die Brüsseler Bürokraten und die Organisationen von George Soros meinen, in den Jahren nach der Epidemie müsse die Einfuhr [sic] von Einwanderern beschleunigt werden. Migranten, die auf dem Seeweg ankommen, müssen zwangsweise unter den europäischen Ländern verteilt werden. Die Ungarische Regierung unterstützt keine Art der Zwangsverteilung. Gemäss Standpunkt der Regierung können auch nach der Epidemie Migranten nur freiwillig aufgenommen werden, und man kann sie nicht zwangsweise auf die Länder der Union verteilen. WAS DENKEN SIE?

Eine Zwangsverteilung ist nicht nötig, man kann die Migranten keinem Land aufzwingenWir müssen die Brüsseler Erwartungen erfüllen und Einwanderer auch in Ungarn aufnehmen

13. Manche meinen, in den zwei Jahren nach der Epidemie sei ein epidemologischer MigrantenSTOPP nötig. Die Grenzen müssen für Migranten vollständig geschlossen werden, weil sie neue Virusmutationen nach Ungarn einschleppen können. Die Brüsseler Bürokraten meinen, die Aufnahme von während der Pandemie einreisenden Migranten dürfe nicht verweigert werden. WAS DENKEN SIE?

In den zwei Jahren nach der Epidemie ist ein epidemologischer MigrantenSTOPP nötigMigranten, die während der Epidemie ankommen, müssen aufgenommen werden

14. Während der Epidemie war es offensichtlich, dass auf dem internationalen Markt ein grosser Kampf um Impfstoffe entstand. Manche meinen, im Zeitalter der Epidemien müsse diese Abhängigkeit beseitigt werden, deshalb brauchen wir eine ungarische Impfstofffabrik. Andere meinen, das sei nicht nötig. WAS DENKEN SIE?

Wir brauchen eine ungarische ImpfstofffabrikEine ungarische Impfstofffabrik ist nicht nötig, es reicht, sich auf die vom Ausland angebotenen Impfstoffe zu stützen

Die Rücksendung des Fragebogens ist kostenlos. Einsendefrist: 25. August 2021.
Herausgeber: Kabinettbüro des Ministerpräsidenten, Színház u. 1, 1014 Budapest

* [ca. 570 Euro]
** Die Übersetzerin geht davon aus, dass Gendern nicht im Sinne der Autoren des Originaltextes wäre.

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